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Regierungspräsidium muss die Abgas-Messwerte des Dotternhausener Zementwerks veröffentlichen

Erfolgreich gegen das RP: Rechtsanwalt Daniel Krummacher, der NUZ-Vorsitzende Norbert Majer und sein Stellvertreter Siegfried Rall (von links).  © Daniel Seeburger
Erfolgreich gegen das RP: Rechtsanwalt Daniel Krummacher, der NUZ-Vorsitzende Norbert Majer und sein Stellvertreter Siegfried Rall (von links). © Daniel Seeburger

11.07.2023

Regierungspräsidium muss die Abgas-Messwerte des Dotternhausener Zementwerks veröffentlichen

 

Das Regierungspräsidium Tübingen (RP) muss Messdaten zu den Abgaswerten aus dem Holcim-Zementwerk in Dotternhausen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Eine solche Entscheidung hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen am Dienstag angekündigt. Am Mittwoch soll der Beschluss der 10. Kammer unter Vorsitz von Richter Julian Thüry verkündet werden.

Geklagt hatte der Verein für Natur und Umweltschutz (NUZ) gegen das Land Baden-Württemberg, dessen Vertreter das Regierungspräsidium Tübingen ist. Die 10. Kammer des Verwaltungsgerichts Sigmaringen war sich nach rund zweistündiger Verhandlung ziemlich sicher und sprach von einer „sehr entwickelten Ansicht“, die man in der Bewertung der Angelegenheit habe. Der NUZ hatte auf Herausgabe von Umweltinformationen geklagt. Eine Bereithaltung der Daten sei zu bejahen, so das vorläufige Ergebnis des Gerichts.

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Mit Überraschungen wird dabei kaum mehr zu rechnen sein. Kurz vor der Verkündigung der „sehr entwickelten Ansicht“ hatte sich die 10. Kammer unter dem Vorsitz von Richter Julian Thüry zur Beratung zurückgezogen. Danach durften die Prozessbeteiligten Stellungnahmen abgeben. Daniel Krummacher, Anwalt des NUZ, führte aus, dass sich die Rechtsauffassung der Kammer mit der seiner Mandanten decke. Sowohl Johanna Stegmann vom Regierungspräsidium (RP) Tübingen als auch Dr. Friedrich Wimmer, Abteilungsleiter Ersatzstoffe und stellvertretender Umweltbeauftragter von Holcim in Dotternhausen, verzichteten auf explizite Stellungnahmen.

Einhaltung von Grenzwerten
Der NUZ-Vorsitzender Norbert Majer wies schon im Vorfeld der Verhandlung darauf hin, dass es darum gehe, ob das Regierungspräsidium Tübingen die halbstündlich gemessenen Abgaswerte bei Holcim offen legen muss. „Nur mit diesen Werten und Unterlagen lassen sich die Einhaltung von Grenzwerten oder auch Abschaltungen oder Ausfall von Messinstrumenten überhaupt nachweisen“, so Majer.
Geregelt ist die Angelegenheit eigentlich im Umweltverwaltungsgesetz. Dort heißt es im ersten Absatz des Paragrafen 24: „Jede Person hat nach Maßgabe dieses Gesetzes Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle (…) verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen.“ Betriebsgeheimnisse könnten da nicht entgegengehalten werden, erläuterte die Berichterstatterin des Verwaltungsgerichts, Richterin Judith Stahl.
Die Frage sei, ob das RP über diese Umweltinformationen verfüge. Die Daten kontinuierlich zu erhalten sei beispielsweise mit einer Emissionsfernüberwachung (EFÜ) möglich. Dabei kann Holcim jederzeit die angeforderten Messdaten ans RP übermitteln. Das Werk muss die Messergebnisse fünf Jahre lang aufbewahren.

Andere Anlage, andere Datenerhebung
Es gebe zwar keinen spezifischen Grund, aber wenn Holcim an das entsprechende System angeschlossen sei, könnte man die Daten beim RP abrufen, so Johanna Stegmann von der Tübingern Behörde. Da es wohl schon andere Anlagen gibt, die mittels EFÜ Messergebnisse zum RP liefern, wollte Rechtsanwalt Krummacher wissen, was für eine Anlage das sei. Johanna Stegmann gab dazu keine Auskunft.

Die Auswertung aller Daten ist nach Ansicht des RP eine Herkulesaufgabe. In den Berichten, die das RP erstellt, würden verschiedene Prüfdaten zusammengefasst, so Johanna Stegmann. Es werde dabei überprüft, ob die Betriebsgenehmigung eingehalten werde. Dazu kämen aber auch Daten aus der wasserrechtlichen Überprüfung und Daten zu den Stillstandzeiten. „Dann ist das so eine Art Sammelbericht?“, wollte der beisitzende Richter Max Häfner wissen. Der Bericht sei eine Auswertung der Einzelmessungen, erklärte Dr. Friedrich Wimmer. Von einer „sehr großen Datenmenge“ sprach Johanna Stegmann.

Beispiel Holcim-Werk in Sehnde-Höver
NUZ-Vorsitzender Norbert Majer wies auf das Holcim-Zementwerk in Sehnde-Höver bei Hannover hin. „Dort können sie die Daten durchblättern“, erklärte er, die Umweltinformationen seien öffentlich. Technisch sei eine Weiterleitung der Daten von Holcim Dotternhausen zum RP Tübingen kein großer Aufwand, so Daniel Krummacher. „Das ist ein Scheinargument.“
Holcim müsse regelmäßig die Emissionen messen, diese allerdings nicht regelmäßig abliefern, erklärte Michael Kipnis vom RP. Die Daten würden auf Anfrage zur Verfügung gestellt. Geregelt ist das im Bundesimmissionschutzgesetz. Dort heißt es in Paragraf 31, Absatz 5: „Der Betreiber einer Anlage nach der Industrieemissions-Richtlinie hat nach Maßgabe der Nebenbestimmungen der Genehmigung oder auf Grund von Rechtsverordnungen der zuständigen Behörde jährlich Folgendes vorzulegen: 1. eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Emissionsüberwachung (…)“.

Auf Anfrage oder auf Verlangen?
Rechtsanwalt Krummacher kritisierte den Begriff „auf Anfrage“. „Es gibt einen Unterschied, ob sie ihre Ehefrau anfragen, ob sie mit ihnen in den Urlaub fährt, oder ob sie es von ihr verlangen.“ Bei einer Anfrage sei im Gegensatz zu Verlangen nicht klar, ob überhaupt etwas vorhanden sei, so Krummacher.
Kontinuierliche Messungen im Halbstundentakt seien vorgeschrieben, führte Dr. Friedrich Wimmer von Holcim aus. „Daran halten wir uns.“ Er sprach von „120.000 Messwerten“, die für jemandem, der die Daten nicht bewerten kann, wenig aussagekräftig seien. Das RP und Holcim könnten die Werte beurteilen, Laien nicht.

Kritische Zwischenrufe
Hier gab es nun Zwischenrufe von den über 20 Zuhörerinnen und Zuhörern. „Es ist zu Überschreitungen der Messwerte gekommen“, führte der zweite Vorsitzende des NUZ, Siegfried Rall aus. Das seien erhöhte Messwerte, aber keinesfalls Überschreitungen gewesen, konterte Dr. Friedrich Wimmer. Es gebe zudem keinen Mehrwert der gesamten Daten gegenüber eines Berichts. Da widersprach dann auch Rechtsanwalt Daniel Krummacher: „Man kann sich Expertisen einholen, mittels deren die Daten richtig eingeordnet werden können.“

Autor:  Daniel Seeburger

Quelle: zak

https://www.zak.de/Nachrichten/Regierungspraesidium-muss-die-Abgas-Messwerte-des-Dotternhausener-Zementwerks-veroeffentlichen-157055.html