29.07.2020
Kalksteinabbau und Seilbahn: Holcim und die Gemeinde Dotternhausen sind weiterhin nicht einig
Von Daniel Seeburger
Die Gemeinde Dotternhausen und Holcim sind sich nicht einig über den Pachtzins für die Grundstücke, auf denen Bauwerke für die neue Seilbahn entstehen sollen. Aber damit nicht genug. Zwei
Mitarbeiter der Gemeinde haben fristgerecht gekündigt. Jetzt werde es personell sehr eng. Das teilte Amtsverweser Alfons Kühlwein in der Gemeinderatssitzung am Mittwoch mit.
Der Plan von Dotternhausens Amtsverweser Alfons Kühlwein war, am Mittwochabend einvernehmliche Verträge zwischen Holcim und der Gemeinde Dotternhausen über die neue Transportseilbahn einerseits
und den weiteren Kalksteinabbau auf dem Plettenberg im Gemeinderat zu verabschieden, die Ende der Woche unterschrieben werden können. Der Plan ist gescheitert.
Dissens in entscheidenden Fragen
Während man sich in vielen Punkten einig ist, herrscht trotzdem in entscheidenden Fragen weiter Dissens. Uneins ist man sich immer noch über die Höhe des Pachtzinses für mehrere gemeindeeigene
Grundstücke, den Holcim an die Gemeinde Dotternhausen bezahlen muss, damit sie dort Seilbahnstützen der neuen Materialseilbahn bauen darf.
Die Gemeinde wollte einen Betrag in Höhe von 1000 Euro monatlich festschreiben. Holcim lehne diesen Betrag ab, so Amtsverweser Alfons Kühlwein in der Sitzung. „Da liegen Welten zwischen uns und
Holcim“, erklärte er.
Holcim erhöht Druck
Holcim hat offensichtlich den Druck erhöht. Werksleiter Dieter Schillo habe darauf hingewiesen, dass das Unternehmen ab August mit anderen Gemeinden über Ausgleichsflächen für den Kalksteinabbau
verhandelt, so Kühlwein.
Dabei geht es um den zweiten Vertrag, den 12. Zusatzvertrag zum Vertrag über den Kalksteinabbau von 1952. Eine Ausnahmegenehmigung erlaube es dem Zementproduzenten, auch ohne die Gemeinde
Dotternhausen solche Flächen in anderen Gemeinden zu suchen. „Es geht hier letztlich ohne uns“, sagte der Dotternhausener Amtsverweser.
Einigungsfrist wird verlängert
Gleichzeitig wolle Holcim dann die im Juni 2018 erhöhten Zahlungen für die Ausgleichsflächen beim Kalksteinabbau bei der Gemeinde zurückfordern, Schillo habe zugestimmt, die Einigungsfrist bis
zum 6. August zu verlängern.
Der Gemeinderat ging einen weiteren Schritt auf Holcim zu und reduzierte am Mittwoch den Pachtzins für die Seilbahngrundstücke um die Hälfte auf 500 Euro.
Verträge gibt es nur im Paket
Die beiden Verträge, darauf wurde in der Sitzung immer wieder hingewiesen, gibt es nur im Paket. Soll heißen, wenn Holcim auf die Pachtzinsforderungen der Gemeinde nicht eingeht, werden beide
Verträge nicht unterschrieben. Hier sitze die Gemeinde am längeren Hebel, so Alfons Kühlwein. „Ohne den Vertrag fliegen die Hubschrauber nicht“, führte Georg von Cotta aus.
Alfons Kühlwein wies auf das Entgegenkommen der Gemeinde hin. So würden bereits Vorarbeiten für den Seilbahnneubau laufen. „Wir haben das bisher geduldet“, erklärte er.
Gute Basis für einen Neuanfang
Gemeinderat Wolfgang Wochner fasste die Verhandlungsposition der Gemeinde zusammen. Holcim habe gesicherte Weiterentwicklungsmöglichkeiten und Planungssicherheit für die nächsten 25 Jahre. Die
Verträge seien eine gute Basis für einen Neuanfang hin zu einem guten Miteinander. „Wir wollen Frieden im Dorf, der auch Holcim viel bedeutet.“ Man strebe eine positive Entwicklung der Gemeinde
und ein gutes Verhältnis zum Unternehmen an.
Die Gemeinderäte verabschiedeten die beiden von der Gemeindeverwaltung und von Rechtsanwalt Dr. Stefan Geiger formulierten Verträge. Otto Scherer enthielt sich.
Ortsbaumeister Roland Mertes geht
Doch es hakt nicht nur mit der vertraglichen Einigung mit Holcim. Neben Hauptamtsleiterin Melanie Engesser, die Ende der Woche das Rathaus verlassen wird, haben zwei weitere Mitarbeiter
gekündigt. Ortsbaumeister und Bauamtsleiter Roland Mertes wird am 1. November eine neue Stelle antreten. Tanja Hahn, die das Bürgerbüro leitet und unter anderem das Meldewesen unter sich hat,
wird bereits Mitte Oktober aufhören und eine neue Stelle in einer anderen Gemeinde antreten.
„Die Gemeindeverwaltung ist damit nicht mehr handlungsfähig“, sagte Alfons Kühlwein. Er wisse nicht, wie es weitergeht. Es gebe praktisch keine Mitarbeiter auf dem Markt. „Wir brauchen eine
funktionstüchtige Verwaltung“, so der Amtsverweser, „und wir wissen nicht, wie wir dieses Problem lösen können.“
Kommentar von Nicole Leukhardt: Der Preis ist längst viel zu hoch
Alles hat seinen Preis, sagt man. Das gilt auch für Dotternhausen. Ein Sack Zement hat ebenso seinen Preis, wie das Recht, auf dem Plettenberg den dafür benötigten Kalkstein abzubauen. Doch
welcher Preis ist wofür angemessen? Darum ringt das mittlerweile zweite Gemeinderatsgremium mit dem Weltkonzern, darum ringen Bürgerinitiativen mit Räten und Verantwortlichen.
Die Wertschätzung für die Standortgemeinde fehle, das stößt sowohl dem Gemeindegremium als auch den Bürgern bitter auf. Holcim verhandle nicht auf Augenhöhe, während die Gemeinde dem größten
Arbeitgeber im Ort immer wieder entgegenkomme.
Es geht um den Preis der Ausgleichsflächen, um den Preis der Seilbahnflächen, letztlich um den Preis des Kalksteinabbaus. Es geht ums Geld.
Die eigentliche Tragik dieses mittlerweile jahrelangen Streits ist aber eine andere. Welchen Preis setzt man für das eisige Schweigen an, das heute unter einst guten Nachbarn herrscht, die sich
überworfen haben, weil der eine bei Holcim arbeitet und der andere Angst um seinen Hausberg hat?
Welcher Betrag würde dem Zwist gerecht, den Vereine, den Ehrenamtliche intern und mit anderen ausfechten mussten, wenn es um Sponsoring ging? Welchen Preis setzt man für den Hohn und die
Beleidigungen an, die Gemeinderäten für ihre Entscheidungen manchmal offen und mitunter lautstark entgegenschlugen? Welchen Preis ruft man für die Gesundheit und das Recht derer auf, die sich mit
vollem Einsatz und notfalls gerichtlich für den Erhalt der Natur und der unvergleichlichen Landschaft einsetzen?
Amtsverweser Alfons Kühlwein rang am Mittwochabend sichtlich um die richtigen Worte, als er verkünden musste, dass sein Rathaus nach drei Kündigungen innerhalb weniger Tage, nämlich denen der
Hauptamtsleiterin, des Ortsbaumeister und der Leiterin des Bürgerbüros und Meldeamts, nunmehr in Kürze nahezu handlungsunfähig sein wird.
Dass diese Kündigungen mit der Belastung rund um das leidige Thema Kalksteinabbau zu tun haben, daraus machte er keinen Hehl. Und damit ist die Frage nach einem Bürgermeisterkandidaten, der die
waidwunde Gemeinde in dieser schwierigen Lage übernehmen möchte, noch gar nicht gestellt. Welcher Betrag könnte all das wett machen?
Vordergründig geht es um Pacht, um Zins und Zahlen. Doch es geht ebenso um ein Dorf, das den Frieden und das Ende dieses steinalten Zoffs herbeisehnt. Der Preis, den die Dotternhausener über die
Jahre bezahlt haben, ist schon längst viel zu hoch.
Quelle: zak
https://www.zak.de/Nachrichten/Kalksteinabbau-und-Seilbahn-Holcim-und-die-Gemeinde-Dotternhausen-sind-weiterhin-nicht-einig-142080.html